Oder auch: Bitte stempelt Narzissten nicht als „Seelenfresser“ ab!
Bitte beachtet, dass ich im folgenden Beitrag etwas detaillierter auf die Narzisstische Persönlichkeitsstörung eingehen werde, aus der eigenen Erfahrung berichte und sicherlich dadurch bei dem ein oder anderen einen wunden Punkt treffe. Solltest Du Dich unwohl mit dem Geschriebenen fühlen, lies lieber an einem anderen Tag weiter oder lass diesen Beitrag eventuell komplett aus. ?
Immer wieder begegnet mir eine Reaktion, wenn ich von meiner Narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) erzähle:
Angst & Abweisung.
Oftmals wird über Narzissten sehr undifferenziert einseitig geschrieben. Sie werden als Gefahr für anderen Menschen dargestellt, vor ihnen wird regelrecht gewarnt und es wird ihnen oft unterstellt keine (emotionale) Bindung zu anderen Menschen aufbauen zu können. In manchen Artikeln, Blogs aber auch Fachpublikationen wird sogar manch einmal der Eindruck erweckt, „NPSler“ biegen sich das gesamte Leben nur zu ihrem Nutzen zurecht.
Das kann tatsächlich auch richtig sein.
Eine NPS, die unentdeckt & unbehandelt bleibt, kann zu schlimmen Folgen (in Beziehungen) führen. Sie kann Partnerschaften belasten und ganz sicher auch anderen Menschen einen gewissen Schaden zufügen.
Doch ist sie eben auch (mit sehr langfristiger & harter Arbeit!) in den Griff zu bekommen. Das sage ich -gerade auch, weil ich eben gerade „voll in dieser harten Arbeit“ stecke- aus eigener Erfahrung. Ich möchte auch gar nicht abstreiten, dass eine Beziehung zu einem Menschen, der unter einer NPS leidet, alles andere als einfach ist und sicherlich in ganz vielen Fällen auch „toxisch“ ist. Und andere Menschen gehören in diesen Fällen vor der Person mit der NPS geschützt und müssen der Beziehung entzogen werden. Keine Frage, auch das habe ich bei meinem großen Beziehungskrach 2004 leider, leider erst im Nachgang lernen müssen. Bei einer weiteren längeren Beziehung konnte ich 2008 grad noch rechtzeitig die „Notbremse“ selbst ziehen und habe mich seit dem auch nicht wieder auf eine längere Beziehung eingelassen. Auch zum Schutz anderen Menschen vor meiner NPS.
Und trotzdem sind eben nicht alles Narzissten gleich oder können in irgendwelche „Schubladen“ gedrückt werden.
In den Fachpublikationen gibt es aber trotzdem z.Z. drei verschiedene Typus der NPS. Nur zur Vollständigkeit, möchte ich diese drei Typen hier kurz anreißen:
– exhibitionistischer Narzissmus (exhibitionistischer Narzismus)
Das ist wohl noch die „freundlichste“ Form des Narzismus und wird sogar gerne von Hollywood aufgegriffen. Das sind Menschen die -gerade beruflich- sehr erfolgreich sein können, sehr selbstbewusst und eher „arrogant“ auf andere wirken. Allerdings kann auch dieser Typus durchaus manipulativ sein (gerade im Berufsleben) und Dinge zu seinem eigenen Vorteil beeinflussen.
– grandios-maligne Narzissmus (offener Narzismus)
Das wäre dann wohl der „Worst Case“ einer NPS. Egoistische, extrovertierte, arrogante und selbstdarstellerische Verhaltensweisen. Reduzierte Anpassungsfähigkeit an soziale Situationen, deutlicher Empathie-Mangel, Neigung zu Wutausbrüchen und Aggression. In jeglichen Beziehungen sehr manipulativ. Wird auch gerne irgendwelchen Führern von diktatorischen Staaten unterstellt.
– vulnerabler Narzismus (verdeckter Narzismus)
Dieser Typus zeichnet sich vordergründig durch eine sehr depressive Stimmung, aber auch Scham und Angst aus. Kritik und Misserfolge schlagen bei diesem Typus besonders hart ein. Dies führt zwar häufig dazu, dass Betroffene eher Hilfeangebote in Anspruch nehmen, bedingt durch falsch verstandene Kritik aber auch häufiger suizidal sind. Zudem hat auch dieser Typus Schwierigkeiten Empathie für andere Menschen zu zeigen.
Auch hier gilt allerdings, nichts läuft nach „Schema F“. Als ich 2004/2005 die erste Diagnose einer NPS bekommen habe, zog sich auch bei mir erst einmal alles zusammen, weil ich selbst bis dahin wohl eher das Bild eines -Tschuldigung für die blumige Sprache im Folgenden- manipulative, vielleicht auch gefährlichen Arschloches im Kopf hatte. In den Jahren und in der Beziehung zuvor, war ich das zum Teil auch. Ich habe aber auch verkannt, wie sehr mit (vermeintliche) Kritik & Kränkungen zu schaffen gemacht haben. Vor allem aber, habe ich lange nicht den Grund erkannt, warum ich so bin wie ich bin (Oder anders: So geworden bin). Es sind Dinge passiert, gesagt & getan worden, die mich geprägt haben (Bei negativen Erfahrungen wird auch gerne von „Traumatisierung“ gesprochen). Es gibt einige „Verdachtsmomente“ in meiner Biografie, die es sicherlich auch nochmals genauer abgeklärt werden. In jedem Fall gibt es auch für eine NPS einen „Auslöser“, Menschen werden nicht als „Narzisst“ geboren. Tatsächlich (können) durch verschiedene Erfahrungen & Prägungen ganz unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale & Verhaltensweisen enstehen. All das in Grundzügen zu erkennen war ein langer Prozess und hat sicherlich einige Jahre gebraucht bis ich da gewisse Schnittpunkte erkannt habe. Eigentlich habe ich erst während des letzten Aufenthalt in der Klinik und in der folgenden ambulanten Therapie erkannt, dass meine riesengroße Unsicherheit, die Scham & Angst mit der NPS zusammenhängen (Und die Depression daher „nur“ ein Symptom aus der NPS ist). Daher würde ich mich selbst inzwischen wohl eher in die „verdeckte“ Schublade packen. Ich bin mir allerdings auch den „negativen“ Seiten der NPS sehr bewusst. So kann ich in bestimmten Situationen ein „Charmebolzen“ sein und dies gewiss auch zu meinem Vorteil einsetzen (Ein Grund, warum ich so Hemmungen habe andere Menschen kennen zu lernen. Weil ich genau weiß, wie ich wirken kann und dies eigentlich gar nicht sein möchte). Auch kann ich relativ schnell jähzornig werden und betrachte Kritik (leider) noch immer nicht mit dem nötigen Abstand.
Und genau diese Komplexität ist auch für Betroffene das schwierigste dabei. Man fühlt sich irgendwie selbst verloren, eben weil man oft selbst nicht versteht warum man so ist wie man ist. Die mangelnde Empathie gegenüber anderer Menschen macht das dann natürlich sehr schwierig es nach außen hin zu kommunizieren. Genau da bauen sich dann Spannungsfelder in Beziehungen auf. Wenn dann noch manipulative Anteile zum Tragen kommen, wird es natürlich auch für z.B. den Partner oder Angehörige schwierig bzw. gar gefährlich. Und spätestens da ist dann ein Punkt erreicht, an dem man sich dieser „toxischen“ Beziehung entziehen sollte. Keine Frage!
Aber ein Betroffener braucht nicht nur professionelle Unterstützung (Wo ja grad auch eine NPS den Betroffenen oftmals selbst im Wege steht sich Hilfe zu suchen), auch braucht es -aus meiner Erfahrung heraus- ein stabiles Umfeld, welches den Betroffenen -soweit es geht- stützt. Da bin ich ganz persönlich meiner Familie sehr dankbar. Ohne diese Menschen hätte ich wohl, trotz der „Belastung“ die ich manchmal sein konnte, nicht so lange durchgehalten. Natürlich haben mich auch die zahlreichen Therapien/Kliniken ein ganzes Stück weitergebracht. Daher ist es auch -aus meiner Sicht- wichtig, den Betroffenen Hilfeangeboten aufzuzeigen. Annehmen müssen sie die Hilfe letztendlich natürlich selbst.
So vielfältig, wie eine NPS sein kann, so unterschiedlich können auch die Gründe einer NPS sein. Oftmals wird gesagt, dass ein Betroffener unter Einfluss einer narzisstischen Person aufgewachsen ist (Dazu hier ein Verweis auf eine recht aktuelle Studie). Tatsächlich habe ich das auch ziemlich lange gedacht und einem Elternteil recht schnell „die Schuld“ gegeben. Allerdings ist mir auch da erst im Laufe der Jahre klar geworden, dass es eben nicht ganz so einfach & mit relativ großer Komplexität verbunden ist. Ich bin da, zugegeben, zu wenig Fachmensch für, denke aber tatsächlich, dass es eine Mischung aus frühkindlicher Prägung, Erziehung aber auch Erlebten aus der Kindheit & Jugend ist. So werte ich das zumindest für mich und aus den Erfahrungen, die ich beispielsweise als Teenager gemacht habe (Mangelnde Kritikfähigkeit bzw. den falschen Umgang mit Kritik). Das mag bei einem anderen Betroffenen schon wieder ganz anders sein. Man hat eben auch hier ein buntes Potpourri an Einflüssen und deren Ergebnissen.
Und genau das macht es m.M.n. so schwierig „NPSler“ in Schubladen zu stecken oder gar zu pauschalisieren. Da würde ich mir tatsächlich in vielen Stellen einen etwas differenzierten Blick auf das Ganze wünschen. Nichtsdestotrotz möchte ich natürlich auch nicht unterschlagen, das Betroffene von psychischer Gewalt (aufgrund was auch immer für einer Vorerkrankung) Hilfeangebote brauchen. Aber auch da würde ich mir wünschen, wenn man nicht gleich das große Gefahrenschild raus holen würde. Denn so wie Menschen sehr vielfältig sind, so gibt es auch bei Narzissten Vielfältigkeit. Und gewiss auch der Wille, etwas zu ändern und sich mit einer NPS zu „arrangieren“ (Denn mehr ist es nach meiner Erfahrung nicht. Man kann eine NPS nicht „beseitigen“. Man kann nur lernen damit zu leben und „das Bestmögliche“ draus zu machen).
Auf die Idee für den Artikel hat mich eine Studie einer australischen Universität (University of Wollongong) gebracht. Dort wurden die narzisstischen Tendenzen von etwa 330 Teilnehmer im Alter von ca. 17 bis 25 erfasst. Gefragt wurde nach dem eigenen Empfinden der elterlichen Erziehung (Fürsorge, Überbehütung, Autoritarismus), aber auch möglicher Traumatisierung und den generellen Tendenzen für ein narzisstisches Verhalten.
Laut der Studie sind Überbehütung und übermäßiges Lob wohl zwei entscheidende Faktoren, die narzisstische Tendenzen verstärken können (Ich könnte jetzt salopp von den s.g. „Helikotereltern“ sprechen). Um eine gewisse Resilienz & ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen, ist laut der Studie eine gute Mischung aus elterlicher Fürsorge, richtigen Grenzen, aufrichtigen Lob und auch die Möglichkeit mal Fehler zu machen notwendig.
Und tatsächlich erkenne ich da gewisse Übereinstimmungen in meiner Biografie und der Erziehung meiner Eltern. Für mich als Betroffener sehr spannend, hilft es doch ein wenig beim „Verstehen“ (Und nein, ich möchte damit nicht (meinen) Eltern die Schuld alleinig geben!).
(Quelle: Narcissistic traits in young people: understanding the role of parenting and maltreatment – Englisch, PDF)
Überarbeitung des Artikel: 02.Juni 2020
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