#KOPFKIRMES

– Leben & Umgang mit der Kopfkirmes –

10 Dinge für den Alltag mit AD(H)S

Ich wollte jetzt schon länger mal einen Artikel dazu schreiben, was genau mir den Alltag mit AD(H)S etwas erleichtert und wie ich was seit der Diagnose aufgrund dieser „Helferlein“ alles schon geändert habe. Also… Here we go… Die Liste ist völlig „unsortiert“ (Haha… Hallo ADS! 😁) und spiegelt meinen ganz persönlichen „Workflow“ nach jetzt 2 Jahren gesicherten Diagnose und Medikation mit MPH wider… ;)

  1. To-Do Listen – Ja, ich habe lange Jahre von Dritten gesagt bekommen, ich solle doch so eine Liste mal regelmäßig führen, weil ich eben vieles mit meinem „Siebhirn“ nach ein paar Sekunden wieder vergesse… Inzwischen weiß ich, dass ich weniger „vergesse“ als eben sehr oft von einem Gedanken zum anderen springe und genau der Gedanken, der mich an etwas erinnern sollte, sehr schnell wieder verloren geht. Daher führe ich inzwischen eine (digitale – Google Tasks) To-Do Liste, auf der ich hauptsächlich Alltagsdinge notiere (Haushalt machen, an die Waschmaschine denken, Müll rausbringen etc.) und die ich Dank „Google-Ökosystem“ auf eigentlich allen meinen Endgeräten nutzen kann. Somit kann ich auch mal schnell einen Gedanken/eine Erledigung per Google Assistant & Smartspeaker direkt nach dem Duschen auf die Liste setzen. SO eine Liste erleichtert mir nicht nur das sich dran erinnern, sondern gibt mir auch ganz enorm eine Tagesstruktur bzw. „tritt“ mein Siebhirn damit auch ein bisschen in den Hintern sich zumindest für die wichtigsten Aufgaben „aufzuraffen“.

  2. Digitale „Helferlein“ – Um an die „To-Do Liste“ direkt anzuknüpfen, mir haben die ganzen technischen/digitalen Spielereien schon mehrfach „den Hintern gerettet“ bzw. mich zuverlässig an z.B. wichtige Termine erinnert, wenn ich es doch mal verbaselt habe, mir den Termin meinen Kalender zu schreiben. Ich nutze daher in der ganzen Wohnung verteilt sowohl Smartspeaker als auch im Wohn- & Schlafzimmer jeweils einen s.g. „Google Hub“ mit Bildschirm um mir eben die To-Do Listen aber auch Termine anzeigen zu lassen. Geht natürlich auch mit jedem anderen digitalen Assistenten/Ökosystem. Und gerade erinnert mich mein Smartspeaker im Büro doch glatt daran, die Wäsche aus der Maschine zu nehmen… 😉

  3. Medikation – Ganz schlicht und ergreifend hilft mir die Medikation ganz arg meinen Alltag wesentlich „entspannter“ und „organisierter“ zu gestalten. Wo ich Anfangs noch schwer begeistert von dem neuen Gefühl der „Ruhe im Kopf“ war, so hatte ich zwischendurch auch mal eine Phase, in der ich ziemlich gezweifelt habe an der Medikation (weil ja doch noch oft mit Vorurteilen behaftet), bin ich inzwischen wieder auf einer (fast) täglichen Medikation, die allerdings etwas verringert worden ist als noch zu Beginn. Und genau da war (leider) bei mir auch eine Zeit lang echt der „Knackpunk“. Mein damaliger Facharzt hat mir zwar eine entsprechende Medikation verschrieben, ist da aber – wahrscheinlich aus eigener „Ahnungslosigkeit“ – nicht weiter dran geblieben bzw. hat die „begleitende“ Behandlung sehr schleifen lassen. Ist aber ein anderes Thema, was ich damit sagen möchte, man braucht wirklich schon einen „fähigen“ Facharzt, der auch im Thema „adultes AD(H)S“ drin ist und gemeinsam mit dem Patienten nach der „optimalen“ Dosis sucht. Das klappt im letzten halben Jahr bei mir echt hervorragend, ich habe da einige geändert und schiebe – mit „Absegnung“ des neuen Doc – tatsächlich auch ab & zu mal einen oder zwei Tage ein, in denen ich die Medikation ganz geplant weglasse, auch um mir den Unterschied zwischen mit & ohne bewusst zu werden. Zudem brauche ich auch mal die Tage mit meinem „Siebhirn“… Ist mir irgendwie eine Art „liebgewonnene“ Tradition, die Tage ohne Medis… 😅

  4. Auszeiten – Auch wieder so ein Ding, was mit Jahrelang von Dritten gesagt worden ist, ich aber immer irgendwie belächelt habe. „Lieber“ habe ich mich ja frusten lassen und bin „in die Luft gegangen“, wenn ich mal wieder nicht mit der Vielzahl an Eindrücken klar kam und/oder etwas nicht so gelaufen ist, wie anfangs von mir gedacht/geplant. Inzwischen ist das für mich allerdings nicht mehr so sehr ein „Beinbruch“, ich nehme mir dann an diesen Punkten/in diesem Momenten dann ganz bewusst eine Auszeit, auch um es zu einem späteren Zeitpunkt nochmals anzugehen (Und dann klappt es meisten auch 😅). Oder eben einfach auch, um mal aus dem „Hyperfokus“ ganz bewusst raus zu kommen und sich nicht „ungehemmt“ selbigen hingeben („ADSler“ werden es wissen, im Hyperfokus fühlen sich 5 Stunden gerne mal an wie 5 Minuten 😉). Ich mach dann gerne ein kurzes Päuschen, gern auch mit nem Kaffee oder, so wie jetzt gerade beim Schreiben dieses Artikels, eine kleine Nebentätigkeit erledigen (Ich hab dann die Wäsche aus der Maschine geholt und aufgehangen – Danke Google! 🤭).

  5. Musik – Das ist sicherlich ein sehr „persönliches“ Ding von mir, aber mir hilft Musik im Hintergrund/auf den Ohren sehr, mich auf meine jetzige Aufgabe zu konzentrieren. Nicht nur, dass die Musik im Hintergrund natürlich viele andere (akustische) Reize überdeckt, auch gibt sie mir in der Tat auch irgendwie eine Art von „Takt“ vor in dem ich meine Aufgabe (besser? leichter?) erledigen kann. Ein wirklich festes Genre habe ich dabei nicht, ich höre eher quer durch den Garten, oftmals je nach Grundstimmung. Wenn ich sehr „aufgekratzt“ bin, hilft mir „seichte“ Lo-Fi Musik tatsächlich sehr gut wohingegen ich mit Podcast/Hörbücher so gar nix anfangen kann (wo viele ja sehr gerne Podcasts/Stimmen auf den Ohren haben), da diese mich eher doch wieder ablenken.

  6. Noise Cancelling Kopfhörer – Passend zur Musik… Und eigentlich der „neuste“ Tipps von mir für Euch, da ich mir tatsächlich erst vor ein paar Tagen Kopfhörer mit ANC (Active Noise Cancelling) besorgt habe. Um es vorweg zu nehmen: Ich bin schwer begeistert, was dieses „Feature“ doch alles (für ein AD(H)S-Siebhirn) tatsächlich bringt! Auch wenn ich schon allein wegen meiner Vorliebe zur Musik zahlreiche Kopfhörer (In-Ear, Over-Ear… Mit Kabel, ohne Kabel, Bla…) ausprobiert habe, so ist ANC bislang immer an mir vorbeigegangen bzw. habe ich nie den „Aufpreis“ dafür eingesehen. Dank eines guten Amazonangebot, aber vor allem der lieben Nessa von @nessadhs, habe ich es doch mal (mit einem relativ günstigen) ANC-Modell ausprobiert. Wie bereits geschrieben, ich bin schwer begeistert und es ist für mich tatsächlich eine „Offenbarung“. Obwohl das ANC nicht das „beste“ ist, so wird bestimmt 75% von eben jenen nervigen Hintergrundgeräuschen (Hundebellen, schreiende Kleinkinder, laute Unterhaltungen, Autoposer mit dem dicken & albernen Auspuff, Gehupe, usw.) einfach „ausgeblendet/überlagert“. Und dabei ist es egal, ob es Zuhause in den eigenen vier Wänden (Ja, auch da bin ich relativ empfindlich – Nachbarn mit Rasenmäher, lautes Türschlagen, die Straße vor der Tür etc.), im Bus/in der Bahn (wie konnte ich denn bitte bislang ohne ANC den ÖPNV benutzen?! 😱🤯😵) oder aber wenn ich unterwegs/spazieren bin. Ich höre bei dem jetzigen Kopfhörer (zum Glück) gerade draußen noch ein bisschen was, aber allein, dass eben diese „spitzen“ und nervtötenden Hintergrundgeräusche (woraus ein AD(H)S-Hirn ja auch gleich immer anspringt) zum wirklich großen Teil „weg“ sind… Junge… Was ein angenehmes Gefühl für mich! 🥰

  7. (Zeitweises) Chaos – Nicht nur im Kopf, auch mal in der eigenen Wohnung. 😅 Ja, ich habe (nicht selten) so ein gewaltiges Siebhirn, dass ich Dinge tatsächlich dort liege/fallen lasse wo ich gerade stehe, weil mir (mal wieder) irgendein lustiger Gedanken ins Hirn springt und ich in diesem Moment unbedingt nach Südamerikanischer Töpferware googeln muss. Dementsprechend habe ich auch in manchen Phasen auch echt die Neigung, meine Bude als „Schlachtfeld“ zu hinterlassen. Okay, ganz so dramatisch wie es sich liest, ist es wohl im Endeffekt nicht, wo ich aber früher gerne mal schon bei zwei Tassen und drei Tellern in der Spüle etwas Schweiß auf der Stirn hatte („Man „muss“ ja alles gleich wegräumen! So machen das ja alle anderen auch!“ 🤦‍♂️), so kann ich das jetzt durchaus auch mal ein paar Tage stehen lassen (Okay… Vielleicht nicht ein paar Tage, sondern eher nur bis zum nächsten Tag, aber ich werde zunehmend entspannter dabei! 😅). Oder eben auch mal Klamotten im Bad/im Schlafzimmer liegen lassen… Dank „To-Do Listen“ macht es umso mehr „Spaß“ das „Chaos“ dann auch wieder zu beseitigen (Ist dann ja immerhin ein weiterer Punkt auf der To-Do Liste, den man abhaken kann = Gutes Gefühl 😉). Und aus dem Chaos ergibt sich auch oft der nächste Punkt…

  8. Step by Step – Oder auch: „Mach in Deinem eigenen Tempo!“, auch wenn es vielleicht länger dauert. Mein Motto inzwischen bei der Hausarbeit… Ich „muss“ die Bude nicht innerhalb von 2h Blitzeblank geputzt haben. Und schon gar nicht, muss ich das alle zwei Tage machen. 😉 Da teile ich mir den „großen“ Hausputz auch gerne mal in fünf Unteraufgaben, an drei verschiedenen Tagen auf. Lässt mich wesentlich besser – und im Endeffekt effektiver – „bei der Sache bleiben“, als wenn ich alles innerhalb kürzester Zeit schaffen „muss“. So gehe ich halt dem „Problem“ mit der „Ablenkung“ während einer Aufgabe zumindest etwas aus dem Weg. Hausarbeit ist zwar noch immer nicht mein „All-Time Favorit“, aber es geht deutlich leichter wenn ich nur kleine Aufgaben habe und daher (vielleicht) nicht ganz so schnell abgelenkt werde… Oh… Guckt mal… Da ist ein ganz besonders bunter Vogel draußen im Garten! 😂 Aber zurück zum eigentlichen Thema… Für mich waren es halt viele Jahre gerade zum Beispiel bei der Hausarbeit ein sehr „falsch“ antrainiertes (anerzogenes?!) Verhaltensmuster (Alles jetzt und sofort, weil muss ja!), dem ich aber – warum auch immer?!? Daran arbeite ich noch! – nicht wirklich entfliehen konnte. Erst mit dem „Chaos“ was die AD(H)S Diagnose so angerichtet hat, dem vielen Hinterfragen alter Verhaltensmuster, erst damit konnte ich das wirklich „aufbrechen“ und mit den neuen „Mustern“ mein Frieden finden. Auch wenn es vielleicht nicht jeder nachvollziehen kann, inzwischen weiß ich (und „verteidige“ es auch so), dass eben „nur“ ich damit leben und mich vor allem wohl fühlen muss!

  9. Feste Strukturen/Routinen – Genauso wie mit – für andere vielleicht etwas übertriebene – „(Tages)Strukturen“. Beispielsweise hat es sich in… den letzten 12 Monaten so „eingeschliffen“, dass ich immer Dienstag und Donnerstag zum Einkauf um die Ecke in den Supermarkt gehe (Ja, ich gehe auch mal aus der Reihe – Angebotstag o.ä. – aber in der Regel Di. & Do.). Oder aber Samstags Spätnachmittags noch eine (größere) Runde spazieren gehe (Und die größere Runde geht auch nur Samstags! 😅). Das kann mitunter schon mal zu Diskussionen führen… Ich habe z.B. beim momentanen Hausverkauf, Besichtigungen meiner Wohnung ausschließlich Freitags zwischen 14.00 und 18.00 Uhr zugelassen. Fester Termin, gänzlich ohne Spontanität, somit kann ich mich früh genug auch drauf einstellen. Ja, manchmal nimmt das vielleicht schon leichte „autistische“ Züge an, aber ich habe halt auch hier bemerkt, wie sehr mich feste Strukturen tatsächlich „erden“ und wesentlich ruhiger werden lassen. Auch etwas, was ich – rückwirkend betrachtet – eigentlich schon mein ganzes Leben (unbewusst) versucht habe „durchzusetzen“, aber eben an den Eltern/den Lehrern/der üblichen Gesellschaftsnorm gescheitert bin. Jetzt, wo ich weiß woran es liegt bzw. das es sehr viel von dem AD(H)S kommt, kann ich mich wesentlich besser damit „arrangieren“ und es eben ganz bewusst in meinen Tagesablauf mit einbauen. Aber auch hier wieder…

  10. Zieh Dein Ding durch – …höre ich immer weniger auf die „klassischen“ Normen und auf das, was vielleicht viele Menschen als „Durchschnitt“ ansehen (wollen/müssen). Klingt vielleicht im ersten Moment etwas „egoistisch“, aber wenn ich eins in den vielen Jahren des „Selbstzweifel“ gelernt haben: Die meisten Menschen und auch die Gesellschaft schenkt Dir eh nix, wenn Du nur Ansatzweise aus dem „08/15-Raster“ fällst! Eher im Gegenteil! Daher jetzt erst recht! 😉 Allerdings muss ich auch hier sagen. mit dem Bewusstsein der AD(H)S Diagnose und wie diese Erkrankung mich und andere Betroffene in jeder Sekunde „beeinflusst“, kann ich selbst dann auch besser (anders?!) auf meine Mitmenschen achten, selbst wenn ich „mein Ding durchziehe“. Vielleicht habe ich aber auch Glück und treffe bei meinen eh recht wenigen sozialen Kontakten nur auf Menschen die das nachvollziehen können. Auf jeden Fall ist dieses „Durchziehen“ ziemlich viel Wert, besonders wenn einem selbst (noch immer) riesige Tomaten von den Augen fallen und man so vieles in alten Verhaltensmustern wiedererkennt, spiegelt und jetzt (endlich) anders macht. Um ehrlich zu sein: Das fühlt sich verdammt gut an! 😊

Und damit „schließe“ ich auch mal diese „Liste“. Ich könnte noch so einiges, vielleicht auch nicht ganz so „greifbares“ auflisten, aber ich möchte Euch ja auch nicht zu sehr erschlagen. 😉
Zumal bei mir auch nach zwei Jahren noch sehr vieles „im Fluss“ ist und ich auch schon so einiges wieder „über Bord geworfen“ habe weil ich bemerkt habe, dass es doch nicht so gut funktioniert oder mir auch einfach nicht gut getan hat. Außerdem kommt es natürlich auch immer auf die jeweilige (Lebens)Situation an, wenn ich mal wieder einen 60h Job habe (Um Gottes Willen… Bitte nicht!), sieht das vielleicht ganz anders aus und ich brauche andere Dinge, die mir den Tag „retten“…

Ich hoffe, ich konnte Euch trotzdem einen kleinen Einblick in meinen AD(H)S-Alltag geben, vielleicht ist ja für den ein oder anderen tatsächlich etwas mit dabei, einfach mal probieren… Ich glaube, dass können wir „AD(H)Sler“ echt gut… Ausprobieren, auf sich zukommen lassen… 😉

Disclaimer: Sind natürlich alles „nur“ meine ganz persönlichen „Tipps & Tricks“ im Umgang mit dem AD(H)S. Auch ist vieles bei mir natürlich noch immer im „Flow“, ich probiere vieles aus, lasse auch auch eine ganze Menge wieder sein, wenn ich merke, es passt doch nicht in mein ganz persönlichen „Workflow“. Daher soll dieser Artikel lediglich Anregungen geben und keineswegs „Allgemeingültig“ sein. Auch ein AD(H)S ist bei jedem Menschen unterschiedlich und zeigt sich durch ganz verschiedenen „Problemlagen“ aber auch „Lösungsansätze“.

Bild von Greg Montani auf Pixabay

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